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„Die Anwesenheit im Büro ist irrelevant.“ Elke Frank im Interview
Sie ist ein Fan von Home-Office und Freiräumen für Mitarbeiter: Elke Frank, Personalchefin Microsoft Deutschland, über das Führungskonzept des Software-Giganten und die Anziehungskraft als attraktiver Arbeitgeber. Dieser Artikel ist im Original im Beileger “FOCUS Network – 44 Seiten Karriere-Extra” des aktuellen FOCUS-Magazins (Nr. 41/2015) erschienen. In Kooperation mit XING bietet der Beileger zahlreiche weitere Karriere-Themen, Interviews, Network-Tipps, Termine und Events.
Frau Frank, 2016 zieht Microsoft in seine neue Firmenzentrale in München. Dort wollen Sie „die Arbeitswelt der Zukunft“ zeigen. Was ist das?In dem Office führen wir vor, wie Arbeiten in fünf bis zehn Jahren aussehen wird. Dort wird räumlich und auch organisatorisch alles so angelegt, wie es unserer Ansicht nach künftig am sinnvollsten ist.
Und dazu gehört, dass nicht jeder Kollege einen eigenen Platz hat? Es wird in der Tat weniger Arbeitsplätze geben, als wir Mitarbeiter beschäftigen. Das liegt einerseits an der hohen Reisetätigkeit der Vertriebsmitarbeiter. Die sind fast täglich in ganz Deutschland unterwegs. Es gehört aber auch zu unserem Konzept: Bei uns muss niemand mehr im Büro arbeiten.
Wo erledigt der Microsoft-Angestellte dann seine Aufgaben? Zu Hause, beim Kunden, in der Bahn. Jeder kann selbst bestimmen, wann und wo er arbeitet. Die Anwesenheit im Büro ist für uns irrelevant. Wir wollen sicher sein, dass der Mitarbeiter seine Ziele erreicht. Dieses Gespräch zum Beispiel führe ich von zu Hause.
Was bietet die neue Zentrale? Es gibt Ruhebereiche, in denen man allein arbeiten kann. Dort stehen Lounge-Möbel, es gibt Gelegenheiten zur Reflexion. Im Bereich „Share und Discuss“ wollen wir Workshops und Brainstorming unterbringen. Und wir haben Bereiche für Mischarbeitsmethoden.
Gibt es feste Arbeitsplätze? Jeder sucht sich täglich einen Platz, da ist er völlig frei. Allerdings gibt es Unterteilungen, sogenannte Anchor-Areas, in denen die Finanzer, der Betriebsrat oder die Personalabteilung sitzen. Man kann aber auch in einer anderen Abteilung als der eigenen arbeiten – je nach Wunsch oder Projekt.
„Bei Microsoft muss niemand mehr im Büro arbeiten.
Jeder kann bei uns bestimmen, wann und wo er arbeitet“
Und wo sitzen die Chefs? Die Abteilungsleiter sind direkt bei ihren Mitarbeitern. Wenn man dieses Prinzip einführt, muss man es vorleben. Auch die Geschäftsleitung sitzt im Open Space ohne festen Arbeitsplatz.
Wie regelt die Firma, welche Aufgaben die Leute erledigen sollen? Zum Jahresanfang werden mit jedem Mitarbeiter Ziele vereinbart. Die werden im persönlichen Gespräch viermal pro Jahr überprüft und notfalls angepasst. Weil unser Gebiet, die Informationstechnik, so dynamisch ist, muss man laufend überprüfen, ob die alten Vorgaben noch gültig sind.
Sind diese Ziele aber zu hoch angesetzt, arbeitet der Mitarbeiter vielleicht deutlich mehr als 40 Stunden pro Woche. Wie verhindern Sie, dass sich die Leute überfordern? Dem treten wir mit klaren Regeln entgegen. Die Mitarbeiter sollen lernen, wie sie sich Grenzen setzen. Auch deshalb müssen die Führungskräfte Feedback-Gespräche persönlich führen. Es gehört Disziplin dazu, sich bei diesem Konzept den Feierabend und die Pausen selbst einzurichten. Wir bieten dazu Coachings an.
Warum gibt sich Microsoft so viel Mühe, den Mitarbeitern entgegenzukommen? Unser Ansatz dazu ist unsere Attraktivität als Arbeitgeber. In jedem Vorstellungsgespräch fragen mich Bewerber, wie flexibel sie arbeiten können. Von dieser Frage hängt die Anziehungskraft unseres Unternehmens für gute Mitarbeiter entscheidend ab. Wir gehen intensiv auf die Beschäftigten ein. Deshalb verlassen uns auch nur ein Prozent der Mitarbeiter ungewollt.
Wie aufwendig ist dieses Konzept? Wir können den Leuten einfach entgegenkommen. Warum muss man zur Hauptverkehrszeit ins Büro fahren? Man kann morgens zu Hause die ersten Termine am Telefon wahrnehmen und später dann reinkommen. Bei uns gehen viele früh, um ihre Kinder abzuholen. Dann arbeiten sie einfach abends noch. Wer gute Leute halten und neue gewinnen will, muss ihre Bedürfnisse erfüllen.
Welche technischen Voraussetzungen benötigt dieser Ansatz? Bei uns ist jeder komplett mobil. Alle erhalten Smartphone und Laptop oder Tablet. Wir können mit diesen Geräten von überall arbeiten. Unsere Technik ermöglicht es, Dokumente so abzulegen, dass sie sich immer bearbeiten lassen.
Steigt dadurch die Effizienz? Ich habe vor Microsoft 15 Jahre in der Industrie gearbeitet. In den zwei Jahren hier bin ich wesentlich effizienter in meiner Art zu arbeiten geworden. Das bezieht sich auf die Themen „Wann erledige ich was – im Auto, im Zug, daheim oder im Office“ und „Wie ich digital arbeite“. Ich bin heute viel transparenter in den Abläufen. Wir leben hier eine schnelle, direkte Kommunikation. Bei uns geht eine Information stets an alle raus, die sie betrifft – es herrscht keine Hierarchie.
Was ist typisch für derart flexibel arbeitende Firmen? Es ist die Art, wie wir Technik nutzen. Wir telefonieren nur mobil oder über Skype. Mich hat noch nie jemand gefragt, warum ich um 15 Uhr gehe oder um zwölf Uhr komme. Das kann ich mir frei einteilen. Es ist nicht wichtig, sofort auf eine Mail zu antworten, sondern fokussiert zu arbeiten.
„Ich werde in jedem Vorstellungsgespräch gefragt, wie flexibel der Bewerber bei uns arbeiten kann“
Aber es ist leicht, sich hier wegzuducken und Arbeit zu vermeiden . . . So ein Verhalten stellen wir in unseren persönlichen Zielprüfungen fest. Natürlich kommt es darauf an, die Zielsetzung engmaschig zu überprüfen. Wir müssen die Waage zwischen klaren Zielen und der Freiheit der Mitarbeiter halten.
Wie wichtig sind Microsoft andere klassische Mitarbeiterthemen, beispielsweise Gesundheit? Bei uns ist Prävention wichtig, daher haben wir ein Gesundheitsmanagement- Programm – vom Fitness-Studio bis zu Ernährungsregeln. Und der Betriebsrat achtet genau drauf, dass wir Belastungsgrenzen einhalten. Wir wollen nicht, dass alle Kollegen 24 Stunden lang erreichbar sind.
Lässt sich dieses Prinzip auch in anderen Branchen anwenden? In den nächsten fünf Jahren wird das eines der wichtigsten Themen der Personalarbeit in der Wirtschaft. Und es kann überall umgesetzt werden. Vielleicht nicht so leicht in der Produktion, dafür aber im Marketing oder im Vertrieb. Ich stelle das Konzept häufig bei Firmen aus verschiedensten Branchen vor. Sie erkennen, wie wichtig es für ihre Attraktivität als Arbeitgeber ist.
Gibt es ein generelles Vorgehen bei der Umsetzung? Jede Firma muss eine eigene Lösung finden. Dazu benötigt man eine bestimmte Unternehmenskultur. Der Chef kann ja nicht einfach eine Mail verschicken und mitteilen, dass ab morgen flexibel gearbeitet wird. Auch die technische Ausrüstung ist wichtig.
Vorbereitung ist also das A und O? Sie müssen sich vorab Gedanken über die Abläufe machen. Die Vertrauenskultur ist wichtig, der Ort und die Technik. Wenn diese Elemente bearbeitet werden, kann das Prinzip in anderen Firmen funktionieren.
Microsoft verkauft IT-Produkte, mit denen ein solcher Arbeitsstil möglich wird . . . Diese Produkte sind für uns tatsächlich eine Motivation. Wer soll sie testen, wenn nicht wir? Wir haben selbst viel dazugelernt. Wenn man die Mitarbeiter nicht täglich sieht, sind andere Führungsantennen nötig. Man muss seine Leute dann genau kennen. Wenn mir einer immer nachts Mails schickt, dann ist er vielleicht gar nicht überfordert. Er kann einfach zu dieser Zeit am besten arbeiten.
Und der menschliche Aspekt? Für uns ist wichtig, dass es persönliche Meetings gibt. Wir investieren viel in Events und Treffen, damit sich die Leute nicht aus den Augen verlieren.
Und was gilt für den Mittelstand? Der Trend ist ein ICE, der gerade durchrauscht – man muss aufspringen. Andernfalls findet man bald keine guten Mitarbeiter mehr.
Text: Susanne Frank / Fotos: Microsoft Deutschland
Zum Original Artikel bei Xing / Gastbeitrag aus dem Focus:
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