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Wir brauchen eine neue Art der Führung - Gastartikel aus dem Humanresourcesmanager Magazin





Industrie 4.0, Big Data und die Digitalisierung verändern unsere Arbeitswelt. Wenn wir den Anschluss behalten oder gar Vorreiter werden wollen, müssen wir alle raus aus den gewohnten Verhaltens- und Arbeitsmustern.
Doch ein Großteil der deutschen Unternehmen befasst sich aktuell noch nicht strategisch mit dem Einfluss der digitalen Transformation auf unsere Arbeitswelt. Das verwundert kaum: Die Vernetzung von Maschinen beziehungsweise Dingen („Internet of Things“) ist schon schwer genug, aber immer noch wesentlich leichter als die Vernetzung in der Zusammenarbeit mit Kollegen und Teams. Hier müssen die deutschen Unternehmen dringend aufholen – und neu darüber nachdenken, wie gute Führung im digitalen Umfeld funktionieren kann. Aus meiner Sicht stellen sich hier insbesondere drei Fragen:
Erstens: Können Big Data die Art der Mitarbeiterführung ersetzen, wie wir sie kennen? 
Es steht zu vermuten, dass menschliches Verhalten dank der explodierenden Datenverfügbarkeit und künstlicher Intelligenz eines Tages durch Big Data vorausgesagt werden kann. Daten, die bisher nur dann gesammelt wurden, wenn man wusste, wie sie eingesetzt werden können, werden heute gesammelt, um später über Mustererkennungen völlig neue Erkenntnisse zu gewinnen. Nur ein Beispiel: Eine Studie der Universitäten Cambridge und Stanford fand heraus, dass Facebook-Likes mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent Aussagen über sozioökonomische Daten erlauben: Über das Geschlecht, die Religion, den Beziehungsstatus, die sexuelle Orientierung oder auch die Trennung der Eltern vor dem 21. Lebensjahr. Auch persönliche Eigenschaften können mittels Datenanalyse oft präziser ermittelt werden als über die Befragung enger Familienangehöriger oder Freunde.
Zweitens: Bieten klassische Unternehmen mit langjähriger Firmenhistorie den Digital Natives noch die richtigen Arbeitsbedingungen?
In den Augen der Digital Natives entscheidet Kompetenz über den Erfolg – nicht eine starre Hierarchie. Sie sind stärker durch Flexibilität, Wertschätzung und Sinn hinter der Arbeit zu motivieren als durch die Aussicht auf Macht und eine steile Karriere. Und ihr Einfluss wächst: Schon im Jahr 2030 werden Digital Natives gut ein Drittel der Erwerbsbevölkerung ausmachen. Dass kleine Start-ups einerseits und internationale Konzerne andererseits derzeit die Märkte von hinten aufrollen, verschärft den Wettbewerb um die besten Köpfe zusätzlich. Um nicht den Anschluss zu verlieren, benötigen Mittelständler und Konzerne gut vernetzte Quer- und Vordenker, die etwas bewegen wollen, digital stark sind und strategisch nach vorne blicken.
Doch die starren Hierarchien, wie sie in vielen Konzernen üblich sind, entwickeln sich aktuell noch zu langsam in Richtung agiler Projekt- und Entscheidungsstrukturen. Führungskräfte, deren Arbeitsverständnis von festen Arbeitszeiten, Macht und Karrierestreben geprägt ist, tun sich aktuell noch schwer, mit Know-how-Trägern ohne Hierarchie und lange Firmenzugehörigkeit in virtuellen Teams zusammenzuarbeiten. Doch diese Hürde gilt es zu überwinden: Unternehmen, die auch in Zukunft erfolgreich bleiben wollen, müssen immer stärker auf die Bedürfnisse potenzieller Arbeitnehmer eingehen.
Drittens: Brauchen wir in einer zunehmend dezentralen Arbeitswelt überhaupt noch Führung? 
Die Technologie erlaubt uns schon heute eine völlig andere Organisation der Arbeit. Für Wissensarbeiter, die mit 40 Prozent aller Beschäftigten größte Beschäftigungsgruppe in Deutschland, ist die Leistungserbringung nicht an einen festen Arbeitsplatz gebunden: Die Arbeit kann dank Smartphone, Tablet und Cloud ebenso gut von zuhause oder unterwegs erledigt werden – schnell und selbstbestimmt, zu jeder denkbaren Tages- und Nachtzeit. Kontrolle durch Präsenzpflicht im Büro wird sich eines Tages erledigt haben, Arbeit ist dann genauso mobil wie Kapital.
Was bedeutet das für moderne Führung? 
Eine denkbare Antwort darauf liefert Fred Kiel. Auf Basis einer siebenjährigen Studie hat er vier wesentliche Stellhebel unter dem Begriff „Virtuoso Leadership“ zusammengefasst:
  • Eine Kultur mit hoher Integrität,
  • Vertrauen in das Management,
  • Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern,
  • eine Unternehmenskultur, in der Fehler primär als Schlüssel für Innovation betrachtet werden und die kollektive Intelligenz durch gemeinsames Arbeiten gelebt wird.
Unternehmen, die eine solche wertorientierte Kultur leben, so Kiel, haben einen fünffach höheren Return on Assets (RoA) als Wettbewerber, die an traditionellen Führungsmustern festhalten.
Doch wozu benötigen wir wertorientierte Führung, wenn Verhalten, Beschäftigung, Beförderung und Leistung durch Big Data vorhersagbar sind und immer stärker in dezentral organisierten Netzwerken gearbeitet wird?
Die Antwort liegt in der Natur des Menschen: Informations-, Gewohnheits- und Erfahrungswissen helfen zwar, wiederkehrende Verhaltensmuster zu erkennen, beantworten jedoch nicht die Frage nach dem „Warum“. Und Lebenswissen beziehungsweise Weisheit kann in Daten nicht abgebildet werden, sondern geht über Verhaltensmuster hinaus und baut eine Brücke für die Nutzung aller Wissensformen. Es hilft, den Gesamtkontext besser zu verstehen. Eine Kernqualität transformaler Führung beurteilt den Mitarbeiter nicht primär nach seiner rationalen Arbeitsleistung im Ergebnis, sondern ebenso stark nach seinen individuellen, sozialen und kulturellen Fähigkeiten im Charakter. Für Führungskräfte bedeutet das: Sie müssen künftig stärker motivieren statt kontrollieren und in der Lage sein, auch im Rahmen neuer technologischer Neuerungen persönliche Bindungen aufrecht zu erhalten.
Die Digitale Transformation bietet große Chancen und Risiken für unsere Gesellschaft. Vor allem müssen wir alle lernen, verantwortungsbewusst mit der Fülle zur Verfügung stehender Informationen umzugehen. Führung mit ausgeprägten menschlichen Qualitäten wird daher immer wichtiger. Es braucht Mut, vielleicht sogar Irrationalität, sich auch gegen die Genialität von Daten zu entscheiden. Letztendlich werden sie die Wahrheit nie vollständig erklären können. Die Führungskraft der Zukunft sollte daher vorrangig eine Eigenschaft besitzen: Ausgeprägte Menschlichkeit – als ethisches Korrektiv zur Digitalen Welt.
Gastbeitrag von Harald Smolak

Zum original Artikel aus dem Humanresourcesmanager:http://bit.ly/1LjDmew





Foto: Susann Buchta






Autor
Harald Smolak
Partner & HR-Director
Atreus Interim Management
Harald Smolak ist Partner & HR-Director bei
Atreus Interim Management.








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